Gruppenausstellung

DIALOGFELDER. BILDER ALS APPELL

Franz Erhard Walther | Merlin Reichart | Jana Schumacher| Achim Riethmann

kuratiert von Dr. Anne Simone Kiesiel

15. März - 29. März 2025

Wir freuen uns, mit DIALOGFELDER. BILDER ALS APPELL eine Gruppenausstellung in der Kienzle Art Foundation, kuratiert von Dr. Anne Simone Kiesiel zu präsentieren. Die Ausstellung eröffnet im Rahmen des CHARLOTTENWALK.

Können Bilder die Welt verändern? Lassen sich Betrachter*innen mithilfe von Bildern in ihrem Handeln positiv manipulieren? Welche Voraussetzungen muss ein Bild überhaupt erfüllen, um an sein Gegenüber zu appellieren, es gar zu einer Aktion herauszufordern, sei sie mental oder physisch? In der Gegenüberstellung von Werken des mehrmaligen documenta-Teilnehmers Franz Erhard Walther (*1939) mit jüngeren künstlerischen Positionen werden Bildstrukturen offensichtlich, die einen Dialog zwischen dem Werk und seinen Betrachter*innen anstoßen.

Die Gruppenausstellung wirft anhand ausgesuchter künstlerischer Positionen ein Schlaglicht auf ein formal-ästhetisches Phänomen, das den Erschütterungen der Gesellschaft in den 1950er/1960er Jahren Ausdruck verlieh und sein Wirkungspotential bis heute entfaltet. Die gezeigten Künstler*innen schaffen mit ihren ungewöhnlichen Bildwerken, die sich insbesondere durch radikale Leerstellen auszeichnen, Katalysatoren, die Denkprozesse anregen und ein
(mentales) Handeln provozieren.

Ausgangspunkt der Ausstellung sind drei frühe Werke Franz Erhard Walthers aus der Sammlung der Kienzle Art Foundation. Provokant und radikal bricht der Künstler in diesen Arbeiten mit den gängigen Bildvorstellungen. Er entleert seine Werke zunehmend, verzichtet auf Komposition und Farbe. Seine Form des Ikonoklasmus erzeugt – paradoxerweise – Dialogfelder: Die Entleerung des Bildes eröffnet bis dahin ungeahnte Potenziale. Aus der formalen Offenheit resultiert eine Appellstruktur, die Vorstellungskraft des Gegenübers wird wesentlicher Teil des Werkes.

Achim Riethmanns (*1979) Aquarelle bedienen sich der Auflösung der Form, um das Bild zu öffnen und Projektionsflächen zu schaffen. Seine Figuren zeichnen sich durch Leerstellen aus. In Posen des Protests dargestellt, bleiben sie Fragmente – Gesichter spart der Künstler konsequent aus. Die gesellschaftliche Aussage potenziert sich entsprechend: Aus „die Anderen“ wird ein „jeder“. Durch die Leerstellen ist diesen Bildern allgemeine Gültigkeit eingeschrieben, die Aussparungen werden zu Dialogfeldern.

Der Dialog ist auch der Werkreihe der „Trace Fossils“ von Merlin Reichart (*1991) inhärent. Abdrücke von Händen materialisieren in schwarzem Grund Spuren einer einstigen Handlung. Endzeitszenario oder Manifest menschlicher Existenz, Relikt von Protestaktionen der „Letzten Generation“ oder Fossil der Zukunft? Die Negativformen fungieren als Projektionsfläche unserer individuellen Weltsicht und stoßen Assoziationsketten an. Sie schreien nach Aktion ohne konkret zu werden.

Auch in Jana Schumachers (*1983) Serie der „Blank Future Sets“ werden wir als Co- Autor*innen in die Verantwortung genommen. Ausgehend vom Blick in die Zukunft mithilfe der Tarotkarten und dem menschlichen Versuch einer Entschlüsselung des Schicksals, präsentiert sie eine Zukunftsvision, die einem unbeschriebenen Blatt gleicht. Es obliegt der subjektiven Vorstellung, in die leeren Karten individuelle Visionen hinein zu projizieren, wiederum ist (mentale) Handlung gefragt.

Um Bilder wie sie in der Ausstellung in der Kienzle Art Foundation gezeigt werden, adäquat zu beschreiben, fehlte bis dato ein kunstwissenschaftlicher Terminus. Den Begriff des Dialogfeldes führte Dr. Anne Simone Kiesiel in ihrer Dissertationsschrift in die Kunstgeschichte ein. Im Rahmen der Ausstellung und explizit im Zuge der Buchpräsentation werden Dialogfelder in Bildern erläutert und diskutiert.

Text: Dr. Anne Simone Kiesiel

 
Dr. Anne Simone Kiesiel (*1986) studierte Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Hamburg, wo sie 2023 zum Frühwerk von Franz Erhard Walther promovierte. Parallel zum Studium arbeitete sie für verschiedene Hamburger Galerien. Seit 2015 betreute sie als freie Autorin und Kuratorin zahlreiche Projekte, verfasste Katalogtexte, hielt Eröffnungsreden, begleitete als wissenschaftliche Assistenz Publikationen und war selbst als Herausgeberin tätig. Von 2020 bis 2023 hatte sie als freie Dozentin Lehraufträge an der Universität Hamburg sowie der JAK Akademie Hamburg inne. Seit 2024 schreibt sie regelmäßig für monopol online.

Franz Erhard Walther: Nesselgrund VI, 1961, Leim-Kreidegrund und dünne Ölfarbe auf Nesseltuch über Holzrahmen gespannt, 79,5 x 70 cm, Sammlung Jochen Kienzle, Berlin, ©VG-Bild-Kunst, Bonn 2025

Merlin Reichard: Trace Fossil (ARLH-08202446-AMS45), 2024, Xyrarock-Gips, Kreidelack, mitteldichte Faserplatten, eloxiertes Aluminium, Acrylglas, 61 x 37 x 6 cm ©Merlin Reichart

Achim Riethmann: D 02, 2015, Aquarell auf Papier, 93 x 183 cm ©Achim Riethmann