SHOW 6
Family Theater
Monika Baer | Jürgen Brodwolf | Marieta Chirulescu | Louise Fishman | Jack Goldstein | Gerald Jackson | Jana Kiewit | Paul Klee | Josef Kramhöller | Michael Krebber | Claudia Kugler | Ketty La Rocca | David Lamelas | Rodney Mcmillian | Klaus Merkel | Pawel Pepperstein | Verena Pfisterer | Emilio Prini | Emil Schumacher | Dominik Sittig | Michael E. Smith | Walther Swennen | Franz Erhard Walther | Jack Whitten | Wols | Elmar Zimmermann | Peter Zimmermann
44 Positionen an zwei Orten Über Das Sammeln, kuratiert von Gerrit Gohlke
29. September 2012 - 23. Februar 2013
Ein Projekt des Brandenburgischen Kunstvereins Potsdam mit der Kienzle Art Foundation in Zusammenarbeit mit der Sammlung Gaby und Wilhelm Schürmann
Wenn Medien heute über Sammler berichten, könnte man fast vergessen, dass von Kunst die Rede ist. Es geht um Millionentransaktionen, Lebensstil und Wertzuwächse. Der Kauf steht im Mittelpunkt und der Besitz, nicht das Ordnen, Interpretieren und Verbinden, aus dem – nach geraumer Zeit – eine Sammlung erwächst. Family Theater will diese Perspektive durchbrechen und fragt deshalb nach dem Eigenleben der Kunstwerke in einer Sammlung. Ihre Individualität innerhalb der Sammlung interessiert uns, nicht ihre Zugehörigkeit zum Besitz.
Gute Kunstwerke, nehmen wir an, sind Sonderlinge, eigenwillige Charaktere, rebellische Störenfriede. Sie begehren auf, reden am Tisch mit vollem Mund und unterwerfen sich keineswegs der Besitzlust eines Patriarchen. Ein guter Sammler umgekehrt, nehmen wir an, lebt im subjektiven Dialog mit den Werken, bringt sie mal glückend, gelegentlich auch produktiv scheiternd in Beziehung zueinander, lernt von ihnen und verteidigt sie zuweilen vielleicht auch gegen eine Öffentlichkeit, die von der Kunst nur noch Zugänglichkeit erwartet, nicht Trotz.
An zwei Orten, im Ausstellungspavillon des BKV auf der Potsdamer Freundschaftsinsel und in den Räumen der Kienzle Art Foundation versucht die Ausstellung, Einblick in das Familientheater der Werke zu nehmen statt ins Leben der Sammler. Die Ausstellung ist eine Einladung zum Dialog mit Individuen aus zwei Sammlungen, in denen es Außenseiter, Haupt- und Nebenpersonen gibt. Die Familie der Werke zu einen, scheint uns eine komplizierte Elternschaft, die wir nicht biografisch nachzeichnen, sondern als offenes Modell vorführen wollen, in dem anders als in einer öffentlichen Sammlung keine Ziele vorgegeben sind. Wie in jedem Familienleben ist von besonderem Interesse, wer aus der Reihe tanzt, wem mit Behutsamkeit sein Platz anzuweisen ist oder wer in seinem Übermut zu dämpfen ist. Es geht nicht darum, auf diese Weise eine weitere kuratorische Metapher zu erfinden, sondern um ein sprechendes, jedermann verständliches Bild für die Vielstimmigkeit einer Sammlung. Wo ein Kurator einmalig Werke für ein einzelnes Argument zusammenfügt, müssen Sammler langfristiger, vielleicht auch emotionaler vorgehen. Auch wenn ein Werk nach allen Kriterien des Sammlers überzeugt, muss es sich nicht in die Sammlung fügen. Es ragt heraus, legt sich quer. Wir wollen mit Family Theater den Blick nicht nur auf die Werke zurücklenken, sondern auch Verständnis und Faszination für das Sammeln wecken. Die Aneignung der Werke soll nicht als Besitzübertragung, sondern als Beschäftigung mit Inhalten kenntlich werden.
Collecting Evidence
„Collecting Evidence“ ist eine Ausstellungsreihe, die sich in loser Folge der Praxis des Sammelns widmet und nach der Vermittelbarkeit der Sammlerperspektive fragt. Dabei geht es nicht darum, biografisch oder historisch Sammlerpersönlichkeiten zu präsentieren oder ihnen den Kunstverein als Podium zur Verfügung zu stellen. Das Projekt ist vielmehr ein gegenseitiger kritischer Dialog, in dem der radikal subjektive, nur seinen eigenen Maßstäben verpflichtete Sammlerblick öffentlich gemacht wird. Zum dritten Mal kooperiert der Kunstverein da- bei mit der Kienzle Art Foundation. Nach False Friends (2009) und Alien (2011) konnte für Family Theater nun zusätzlich die Sammlung Gaby und Wilhelm Schürmann hinzugewonnen werden, eine der herausragenden deutschen Privatsammlungen, die im Rheinland und Berlin ansässig ist. Wilhelm Schürmann hat sich frühzeitig als kuratierender, kommentierender Sammler profiliert, dessen Werkpräsentationen stets das Verhältnis des Privaten zur Öffentlichkeit reflektierten und der sein Sammeln als ständige „Rekonfiguration“ der Werke definierte. Jochen Kienzle und Wilhelm Schürmann waren dabei nicht nur Leihgeber, sondern Interviewpartner, Kommentatoren, Experten und Kritiker. Sie gaben einerseits Einblick in die Sammlungen, schlugen Werke vor und charakterisierten sie. Sie analysierten andererseits kritisch den Kunstbetrieb, den öffentlichen Begriff des Sammlers und den Verlust einer Grenze zwischen privater und öffentlicher Werkperspektive, die in beiden Sammlungen immer wieder neu rekonstruiert und übertreten wird.
Zur Ausstellung erscheint ein Booklet mit einem einführenden Text von Gerrit Gohlke (BKV).
Collecting Evidence Teil I: False Friends
Collecting Evidence Teil II: Alien