Show 9
EINS SVEI DRY CAT
Nathan Baker | Suzanne Joelson | Sreshta Rit Premnath | Aura Rosenberg | Holly Zausner
Kuratiert von Suzanne Joelson
19. März - 19. April 2014
Bei den an der Ausstellung beteiligten Künstlern verhält es sich ebenso wie beim Ausstellungstitel „Eins Svei Dry Cat“: Eine logische Folge wird falsch geschrieben, erneut gehört, übersetzt und entgleist dann zu einem flauschigen Tier.
Künstler haben die Welt schon immer ihren eigenen Bedürfnissen angepasst. In dieser Schau hinterfragen sie die Grundidee des Übersetzens. Auch die „normalen“ Materialien und Konventionen der Kunstproduktion verwenden sie falsch.
Nathan Baker schaut beim Herstellen seiner Kunst zurück. Schnell und entspannt geht er mit den Herstellungsregeln um. In seinen Fotos beseitigt Baker die Bilder mit Hilfe von Klebeband und dreht quasi den Sinn des Klebebandes, das ja zusammenfügt, um. In den hier ausgestellten Gemälden wendet er eine Art invertierten Denkens an: Statt haltbarer Leinwand oder robustem Holz spannt er Organza auf Holzrahmen. Der Keilrahmen wird zur Zeichnung. Farbe wird von hinten durchgedrückt, wobei das Material jedoch diesen Impuls verzögert.
In „EX / X“, seinen sechs fotografischen Bildern, in denen er Bleichmittel verwendet, möchte Sreshta Rit Premnath zwar Text, verneint ihn aber gleichsam auch. Während man Bleiche normalerweise verwendet, um Flecken zu entfernen, findet sie hier eine neue Verwendung, indem mit ihr das Bild hergestellt wird. Ein X kann bedeuten „hier“ oder EX „weg“ – Denotation oder Storno. Hier ist das X gespiegelt, wiederholt, bleibt unvollkommen, während es zwischen An- und Abwesenheit hin und her oszilliert, zwischen Druckbuchstabe und abstraktem Bild.
Als Walter Benjamin sein letztes Buch, „Berliner Kindheit“, begann, ging es ihm um seine tiefe Nostalgie und seinen Verlustschmerz. Aura Rosenberg suchte die Orte auf oder rekonstruierte die Situationen, die Benjamin beschreibt, als ihre eigene Übersetzung seines Werks. Indem sie seine Erinnerungen in neue Farbfotos übersetzt, adoptiert Rosenberg Andenken, die nicht die ihren sind. Diese Bilder tragen das Gewicht des Gedenkens ohne nostalgisch auszusehen.
In ihren „Dialectical Porn Rocks“ klebt sie gefundene Fotos auf Steine, die sie in neuen Zusammenhängen zeigt. Dann fotografiert sie diese veränderten und versetzten Bilder. Ihre Deplatzierung –gefundene Bilder auf Stein montiert – verfremdet die scheinbar passende Umgebung.
Diese Fotos sind in der Ausstellung so angeordnet, wie man auch manchmal Steine findet.
Der Protagonist in Holly Zausners Filmen streift durch leere Orte in der Stadt, die zwar verfremdet, jedoch offenbar gefühlsmäßig miteinander verbunden sind. Wenn Zausner in ihr New Yorker Atelier zurückkehrt, dann übersetzt die Regisseurin und Bildhauerin ihr gefilmtes Material in Kopien, die sie collagiert und denen sie eine komplett neue Syntax verleiht. Die zeitlich-linearen und transparenten Charakteristika von Film werden platt, flächig. Die drei Collagen in der Ausstellung stammen aus ihrem Berlin-Film „Unseen“ und spielen im Spreepark Plänterwald. Es scheint, als ob sie den Film in ein neues Medium übertrüge: Aufgrund der Anordnung der Bilder bekommen diese eine Ausstrahlung flüchtigen Lichts und wirken keineswegs starr.
Am Anfang von Suzanne Joelsons Arbeit stehen Regeln: Sie arrangiert Tyvek-Elemente nach den Regeln des goldenen Schnitts. Modellköpfe, von oben oder unten gesehen, spiegeln sich, werden multipliziert oder verschwinden während ihres Herstellungsprozesses. Fotos und Stoffe verdecken und verwirren die Oberflächen. Die Künstlerin fragt sich, wer die Menschen waren, die in Le Corbusiers Wohnprojekte einzogen, und denkt darüber nach, wie diese seinen Idealismus verwirrten, wenn sie beispielsweise ihre allzu menschlichen Entäußerungen auf den Balkonen seiner modernen Fassaden zur Schau stellten. Der Fibonacci-Kreis findet schon seit der Akropolis aufgrund seiner inhärenten Schönheit Verwendung. Die Prämisse von Joelsons Arbeit ist jedoch die Überzeugung, dass perfekte Systeme scheitern.
Die Künstler in „Eins Svei Dry Cat“ beschäftigen sich mit und unterhöhlen gleichsam den Glauben an Kunst, die im Gewand der Ordnung daherkommt. Sie lernen und dekonstruieren Verhaltenscodes. Es gehört zur Kultur, dass sie Systeme erschafft, die zusammenbrechen.
Suzanne Joelson, New York, März 2014