Archiv der Galerie Kienzle & Gmeiner (1997-2010)

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Marcus Neufanger

17. Mai - 16. September 2006

Galerie Kienzle&Gmeiner, Ausstellungseinladung Marcus Neufanger

Wenn Richard Serra in Matthew Barneys Film „Cremaster 3 -The Order“, seine berühmte Arbeit aus den späten 60er Jahren, „Castings“, das Schleudern mit geschmolzenem Blei, in der Rotunde des Guggenheim New York, mit flüssiger Vaseline wiederholt, sagt das ebensoviel über Serras Korrektur der eigenen Rolle im heutigen Kunstbetrieb aus als auch über das Kunstverständnis Barneys, der seinen Übervater-Bildhauer aus dem ausgehenden 20.Jahrhundert als Schauspieler engagiert, den er „Serra“ spielen lässt.

Seit Anfang der 1980er Jahre hat Marcus Neufanger einige Tausend monografische Einzelausstellungen in Deutschland, Italien, Belgien, Holland, Österreich und der Schweiz besucht und ein Konvolut von Postkartenzeichnungen davon angefertigt, die an Einladungskarten erinnern. Er nennt Kunsthallen, Kunstvereine, Galerien und Museen sein “Atelier“ (1). Die „Maske des Künstlers“ im Betrieb ist sein „Personal“  „Celebreties“ oder „Heldenparty“ sind die umfangreichen, zeichnerischen Konvolute überschrieben, die seine Ausstellungswände überziehen.

Kippenberger zum Beispiel, McCarthy, Warhol, Sturtevant, Nauman, Duchamp, Beuys, Meese, Franz Erhardt Walther, Rodney Graham oder Dieter Roth sind allesamt Künstler, die sich im Betrieb auch als Person ausstellen, dazu ein sehr genaues Bild ihrer Rolle entworfen haben und dies in ihr Werk inkorporiert und mit ihm veräußert haben. Künstler als „Marken“, schreibend, posierend, sind in den neuen Arbeiten Marcus Neufangers im Block versammelt, nehmen darin auf einer imaginären Bühne platz, bilden ungewohnte Versammlungen und konstruierte Verschwörungen, sind jetzt ästhetische Einheiten im Sinne seiner Gesetze. In diesen seriellen Wandformationen von „Künstlerportraits“ setzt er Rollenklischee und Starkult in eins, transformiert in den Zeichnungszyklen, Habitus und Exzentrik von Künstlerselbstbildern und wirft einen ordnenden Blick auf Szenezugehörigkeit und Betrieb.

Formal sind seine Arbeiten immer „sets“. Aus den sehr umfangreichen Musterbüchern, die sich Neufanger zu Beginn seiner Serie „Künstlerportraits“ als Taschenbuch-Skizzen angelegt hat, generiert er immer wieder die gleichen „Figuren“.So entstehen malerisch völlig verschiedene Gruppen von  Widergängern, unterschieden und neu, verbunden durch die andersfarbige Fassung. Mit Ölpastell und Holzstift ( Mischtechnik) gezeichnet/gemalt. Farben, die er souverän beherrscht und gezielt zur Artikulation seiner schablonenhaft ausgeführten „Modelle“ auswählt. Neue Bezüge mit dem  gleichen „Künstler-Material“. Wiederholung als Prinzip, Arbeiten auf Bestellung, Entwurf jeweils anderer Bühnen für weitere Ausstellungen, die das Agieren und die Aktion der Künstlerleben im Bild-Block formalisieren. „Der eigene Kontext? Entsteht bei Marcus Neufanger obsessiv. Als Pantheon…wiederholt zwischen Farbigkeit, Stilisierungsgrad, Brut und Laune sehr frei oszillierend…“ (2)

„I am still curating“ nennt er eine Ausstellung 1996.1994 richtet er mit Ute Meta Bauer ein „Lesezimmer“ in Wien Stuttgart, München, Graz ein. Er macht die „beste Ausstellung“ 1995 im Oberwelt e.V. in Stuttgart. Seit 1999 kuratieren Neufanger & Seibt bestimmte Ausstellungen von KünstlerkollegInnen, unter anderen solche von Uli Aigner, Georg Winter  oder herman de vries. 1993- 97 freier Mitarbeiter im Antiquariat der Buchhandlung Walther König. Er zeigt 2006 sämtliche Textplakatarbeiten Eugen Gomringers in Schwäbisch Hall. Neufanger legt jährlich die Edition „Erwerb“ in kleiner Auflage auf. Ein immer neu gestaltetes Plakat das seine anwachsenden Erwerbungen von Katalogen/Büchern auflistet. Aus diesem Speicher sind jene Abbildungen für sein zeichnerisches Werk entnommen, die von den jeweiligen KünstlerInnen bereits für ihre Publikationen vorgefiltert worden sind – frei geschaltete Quellen.

Marcus Neufanger ist kein Fotograf, der im Kunstbetrieb Jagd auf Sensationsbilder macht.
Er ist ein Ordner, der zeichnet was fotografiert und gedruckt worden war.

Marcus Horch 2006

(1) WEISS Kunstbewegung, in: Weiss-Frühjahrs-Kollektion, 2002.
(2) Hans Jürgen Hafner in: „Madame Réalité“, Katalog Städtische Galerie Waldkraiburg 2005 und Kulturwerk im E-Werk, Freiburg 2004.

Galerie Kienzle&Gmeiner, Ausstellungsansicht Marcus Neufanger

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