Archiv der Galerie Kienzle & Gmeiner (1997-2010)
Katakomben der Santa Priscilla
Emilio Prini
2. November 1996 - 18. Januar 1997
Die Eröffnungsausstellung der Galerie Kienzle & Gmeiner ist dem Werk des italienischen Künstlers Emilio Prini gewidmet. Prini (geb. 1943 in Stresa) gehört zum Kreis der legendären Arte-Povera-Künstler von 1967.
Bis heute ist Prini – im Gegensatz zu seinen populär gewordenen Kollegen – ein nahezu unbekannter Künstler geblieben, der 1995 über gerade ein Dutzend Einzelausstellungen in ausschließlich italienischen Galerien verfügte. Dies hat wohl vor allem damit zu tun, dass bei ihm die Geste der Arte Povera (Prini nennt sie eine „vierte Kunst“ nach den drei traditionellen Künsten Architektur, Skulptur und Malerei) nicht nur in der Form der Objekte wirksam wird, sondern vor allem auf die Gestalt des ganzen Werks, der gesamten Praxis bezogen ist.
Die geringe Zahl der Gesten und Gegenstände, die aus den vergangenen 30 Jahren vorhanden sind, lässt darauf schließen, dass es eine Arbeit im Sinne von „Produktion“ nicht gibt, dagegen Austausch und Definitionen in den Momenten, die eine neue oder veränderte Situation für den ursprünglichen Impuls darstellen.
Prinis Ausstellung in Berlin präsentiert das Material zweier Ensembles, die neben anderen Werken in der ersten Einzelausstellung außerhalb Italiens und in einem Museum (Museum der Stadt Straßburg, Herbst 1995) gezeigt wurden: Rilevamenti (Straßenzeichen), 1967/1995, und Salle Villa Medicis (Villa Medici Saal), 1995. In beiden Arbeiten hat Prini Arte-Povera-Komplexe geschaffen, die aus aktuellem Anlass „Rekonstruktionen“ als künstlerisches Verfahren vorführen.
RILEVAMENTI 1967/1995, ein Ensemble von sieben Sperrholzobjekten – darunter das wundervolle „Muro in Curva“– war verloren gegangen und ist 1995 für die Straßburger Ausstellung aus dem Gedächtnis rekonstruiert worden. Kleine Unebenheiten sowie eine sorgfältige Kontextualisierung tragen trotzdem zu einer authentischen Wirkung bei.
SALLE VILLA MEDICIS besteht aus sechs großformatigen Schwarzweiß-Fotoabzügen die auf Holzrahmen befestigt sind. Dazu an der Wand entlang laufendes Mobiliar, das durch einen „blinden“ Wasserhahn und die darüber hängenden Bilder den Charakter eines Fotolabors mit seinen Wannen, Ablagen und flachen Schubladen annimmt. Die Foto-Reproduktionen zeigen Schnappschüsse aus Prinis Ausstellung von Bleiskulpturen in der Galerie La Bertesca, Genua 1968. Die sechs „Installationsviews“ scheinen zufällig, doch geben sie eine fein kalkulierte, komplette Sicht auf die damalige Ausstellung, erweitert um die anwesenden Besucher, deren Namen teilweise auf den Fotos vermerkt sind: Dies sind Grazia, Nicola, Roberto …
Mit seinen beiden „Remakes“ scheint Prini das Jahr 1995 als den Zeitpunkt der Rekonstruktion der Positionen der 60er/70er-Jahre markieren zu wollen. Es fällt nicht schwer, dies vor dem Hintergrund bereits existierender und kommender Rekonstruktionen der Standards zu sehen, die damals in Kunst, Kultur und Unterhaltung festgelegt wurden. Dass Prini dies innerhalb seiner Verantwortung – also seines Werks – vorführt und nicht anderen überlässt, verweist auf den umfassenden Anspruch des strengen Werks, das seine Dynamik, Energie und Dimension vielleicht aus der Realisierung der Veränderungen gewinnt, die dem ursprünglichen Impuls geschehen – beziehungsweise zugefügt werden.
Rudolf Bumiller