Show 12
Song about the Midway - Werke von 1982 bis 2014
Bertold Mathes
20. September 2014 - 8. März 2015
Die Ausstellung „Song about the Midway. Werke von 1982 bis 2014“ zeigt eine bewusste Neuformation des Gesamtwerks von Bertold Mathes, und zwar – aus der Perspektive des Künstlers selbst. Speziell konzipiert für die Räumlichkeiten der Kienzle Art Foundation stellt er anhand einer Auswahl von Arbeiten sein Schaffen der letzten 32 Jahre neu zur Diskussion.
Die bereits zweite Einzelausstellung des Malers an diesem Ort (vormals noch Galerie Kienzle & Gmeiner) vereint 19 Einzelwerke und zwei installativ präsentierte Werkgruppen, die so noch nicht in größerem Rahmen gezeigt wurden und fast vollständig aus den Beständen des Künstlers selbst stammen. Es handelt sich also nicht um eine klassische Retrospektive und auch nicht um ein Best-of. Vielmehr geht es Mathes um eine Aktivierung und Produktivmachung des eigenen ‚Archivs‘. Entgegen einer historischen Auffassung davon setzt der Künstler dabei ausdrücklich auf eine nicht-chronologische Präsentation, die alle Exponate auf eine Ebene der Betrachtung bringt, um sie dann im Sinne einer alternativen Logik und im Widerspruch zur herkömmlichen Projektion einer Fortschrittsentwicklung auf formale wie auch inhaltliche Kriterien hin zu untersuchen und in Relation zu stellen. Parallelschaltungen und Gegenüberstellungen provozieren den Betrachter, Ähnlichkeiten in Inhalt, Machart und Format, unabhängig von klaren historischen Einordnungen und Zuweisungen, zu ermitteln und auch, über deren Unterschiedlichkeit und Vielfalt zu staunen.
Mit dieser Art der Präsentation überträgt Bertold Mathes ein wesentliches Merkmal seiner Arbeitsweise von den Einzelwerken und Werkgruppen auf das Ausstellungsdisplay: Das für ihn typische Vice-Versa, das Pendeln und Springen zwischen verschiedenen Malereiauffassungen, das Vermitteln und Kontrastieren unterschiedlicher Stilelemente: sei es zwischen analytisch-systemischer und freier, eher subjektiv bestimmter Malerei, zwischen dem Arbeiten in Werkgruppen und dem konzentrierten Experimentieren in Einzelbildern, zwischen ¸klassischem‘ Tafelbild und Shaped-Canvas-Relief-Objekten. Darüber hinaus finden auch immer wieder Verflechtungen und Überkreuzungen dieser Stränge statt. Die Art der Präsentation wechselt dabei zum Teil zwischen in Reihe gehängten Gemälden und großflächigeren, auf die Raumarchitektur bezogenen Anordnungen.
Der Ausstellungstitel „Song about the Midway“ ist dem Bildtitel eines der ausgestellten Gemälde von 1993 entlehnt. Inspiriert wurde dieser wiederum von dem Folksong „That Song About The Midway“ (1969) von Joni Mitchell, der, während Mathes an dem Bild arbeitete, zufällig im Radio lief. Angesichts der Vielfalt der Bilder des Künstlers und der in ihnen angelegten, durchgespielten und praktizierten malerischen Varianten, die häufig bis an den Rand der formalen Möglichkeiten ausgereizt werden, ist diese Anspielung an den ‚Mittelweg‘, als eine „zwischen zwei [oder auch mehreren] Extremen liegende Möglichkeit des Handelns“ (Duden), als Hinweis an den Betrachter natürlich eher augenzwinkernd zu verstehen. Dass es sich bei diesem Bild- bzw. Ausstellungstitel um einen Liedtitel handelt, der sogar das Wort song selbst im Titel führt, ermöglicht aber darüber hinaus ein Gedankenspiel, das sich mit Blick auf die Werkpräsentation aufgreifen und weiterspielen lässt: man denke nur an Begriffe wie Melodie, Strophe, Reprise oder Kanon, die das Wiederkehren und Neuarrangieren gegebener Komponenten schon implizieren. Im Gespräch war es für Mathes auch nicht abwegig, sich den Ausstellungsraum als einen ‚Resonanzkörper‘ für sein Werk vorzustellen.
Im Sinne eines Resonanzkörpers könnte man auch die neue, hier mit 40 Bildern in Form eines Wanddisplays präsentierte Werkgruppe „Booking“ (2013–14) interpretieren, in der der Künstler vorbehaltlos alles zu ‚verbuchen‘ scheint, was ihm aus seiner längjährigen Auseinandersetzung mit Malerei als Vokabular zur Verfügung steht. Streng geometrische Formationen treffen auf fließende, verwaschene Farbverläufe, ornamentale Strukturen kontrastieren mit monochromen Flächen, mehrfach aufgetragene, opak anmutende Schichten schieben sich über atmosphärisch wirkende Bildhintergründe: so ergibt sich ein Stil-Potpourri, wie es beispielsweise auch schon in „Happy Cosmos“ (1986) angelegt ist. In diesem Einzelwerk ist das Aufeinandertreffen der formalen Elemente jedoch noch deutlich spielerisch-parodistisch zugespitzt und in seinem anarchischen Moment nicht vom Zeithintergrund der Achtziger Jahre zu trennen.
In der „Booking“-Reihe ist Bertold Mathes’ Vorgehensweise demgegenüber ein unaufgeregteres und planvolleres Kombinieren und Gestalten von Bildmöglichkeiten über eine nicht festgelegte (und prinzipiell unendliche) Folge von Arbeiten hinweg. Die Strenge und Konsequenz seiner systemischen Werkphasen trifft dabei auf eine Lust an Offenheit und Unvorhersehbarkeit, wie sie vergleichsweise auch schon frühe Arbeiten wie „Partitur (Geländer)“ von 1983 charakterisiert. In der fünfteiligen Arbeit spielt der Künstler in einer Art Notationssystem mögliche Anordnungen von Dreiecken durch. Vermittelt durch die abgerundeten Ecken der bemalten Pappen und deren Format erinnern die Bildobjekte an vergrößerte Spielkarten, die immer wieder neu gemischt und in Beziehung gesetzt werden können. Weitergesponnen wird daraus ein Memory-Spiel, das man direkt vor Ort aufgreifen und anhand anderer Exponate ausweiten und fortsetzen kann. „Partitur (Geländer)“ könnte hierin, aber auch in seiner Anspielung auf den Bereich der Musik, repräsentativ für die Grundidee der gesamten Ausstellung sein.
Die Entscheidung des Künstlers, mit „SONG ABOUT THE MIDWAY“ sein eigenes Werk in dieser speziellen Art und Weise vorzustellen, lässt sich als Weiterentwicklung seiner beiden letzten Ausstellungspräsentationen begreifen. 2012 in „Drift“ im Brandenburgischen Kunstverein,Potsdam war es neben der Architektur des Glaspavillons vor allem die Blickperspektive des Kurators, welche die Auswahl ähnlich vieler, aus unterschiedlichen Schaffensperioden stammenden Arbeiten des Künstlers und deren Präsentation bestimmt hat. Die diesjährige großflächige Präsentation im Heidelberger Kunstverein im Rahmen der Malerei-Ausstellung „Was wir zeigen wollen“ hingegen zeichnete sich vor allem durch eine Fokussierung auf zwei große Werkgruppen aus – die System-Bilder „Multiple Choice“ (1995–99) und „(Studie) o.T.“, (2010) – und setzte diese in Bezug nicht nur zu in deren Produktionszusammenhang entstandenen Arbeiten, sondern auch zu Werken anderer Künstler/innen, was weitere Denk- und Betrachtungsweisen eröffnet und den Blick auf das Eigene möglicherweise erneut verschoben hat.
Vor diesem Hintergrund thematisiert die Schau „Song about the Midway“ auch das Format der Ausstellung selbst. Sie lässt sich als eine Art Meta-Komposition auffassen, mit der der Künstler die institutionellen Sichtweisen auf sein Werk reflektiert und ergänzt.
Text: Barbara Buchmaier