Archiv der Galerie Kienzle & Gmeiner (1997-2010)
Der ökonomische Aspekt
Anna Oppermann
28. September 2006 - 24. Februar 2007
Erstmals seit dem frühen Tod der deutschen Künstlerin Anna Oppermann im Jahr 1993 wird in Berlin wieder eines ihrer großen Ensembles zu sehen sein. Die Galerie Kienzle zeigt die Arbeit „Der ökonomische Aspekt“ neben Ensemblereduktionen und einzelnen Bildleinwänden.
Über die 1970er Jahre wurde die 1940 in Eutin (D) geborene Künstlerin Anna Oppermann mit konzeptuellen, dabei prozessualen und materialreichen Arbeiten international bekannt, die sie selbst Ensembles nannte. Mit ihnen erforschte Oppermann Klischees und Konventionen, emotionale wie rationale Ansichten zum eigenen Selbstverständnis, zu Beziehungsfragen, Aggressionen und Außenseiterverhalten. Sie arbeitete über das Thema Künstlersein, über Liebe, Erotik und Sex, Ökonomie, Pathos, Mythos, Lüge und Wahrheit. Ihre Vorgehensweise beschrieb sie als Weg „vom Einfachen zum Komplizierten, vom Privaten zum Allgemeinen“: Ausgehend von einem kleinen Stillleben aus Fundstücken, Pflanzenblättern oder Zitaten, inszeniert in einer Zimmerecke, zeichnete, fotografierte, beschrieb und analysierte die Künstlerin laufend neue Facetten des Themas oder Konflikts, der sie gerade beschäftigte. Sie suchte in Philosophie, Psychologie und Literatur nach ergänzenden Auseinandersetzungen und arrangierte die gefundenen Texte oder Zitate mit den Zeichnungen, Fotografien, Bildern und Objekten. Dieser Prozess dauerte oft mehrere Jahre. Über sechzig, davon dreißig aus mehreren hundert Teilen bestehende Ensembles hat die Künstlerin hinterlassen, die an den Wänden empor in Schichten in den Raum wachsen.
Das Ensemble „Der ökonomische Aspekt“, das ab September in Berlin neu inszeniert wird, entwickelte sich von 1979 bis 1987 aus dem riesigen, 1977 über zwei Räume auf der documenta 6 präsentierten Ensemble „Künstler sein (Zeichnen nach der Natur – zum Beispiel Lindenblütenblätter)“. Dort war es zunächst als Unterthema angelegt. Ende der 1970er Jahre aber beobachtete Oppermann, dass die Selbstvermarktung (nicht nur in der Kunst) zunahm und selbst primitive, große Gesten und billige Maskeraden überraschend viel Erfolg versprachen. Ironisch spielt sie fortan alle Register der Eigenwerbung und macht daraus eine eigene Arbeit. Schließlich nimmt das Anfang der 1980er Jahre in London und Sydney gezeigte Ensemble im Gesamtwerk Oppermanns bald wieder eine bedeutende Mittelstellung ein: Es ist ein Vorläufer des Ensembles „Pathosgeste“, das Oppermann 1987 auf der documenta 8 zeigte.
Oppermanns Ensembles wurden zudem auf den Biennalen von Venedig und Sydney ausgestellt. Dauerhaft installiert sind große Werkkomplexe in der Hamburger Kunsthalle und im Rathaus Altona in Hamburg. Das Sprengel Museum Hannover besitzt eine Arbeit und weitere Ensembles und Reduktionen sind Teil von privaten Sammlungen. Anna Oppermann, die bis zu ihrem Tod in Hamburg und später auch in Celle lebte, erhielt zahlreiche Preise und Stipendien. 1982 wurde sie als Professorin an die Gesamthochschule Wuppertal, 1990 an die Universität der Künste Berlin berufen.